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Gläserner Ausweis mit Diskussionsbedarf

basileaInfo - Informationsblatt der Kantonspolizei Basel-Stadt
November 2005

Von Kpl Christoph Schaffner, Grenzpolizei/EAP

Der weltweite Durchbruch der Biometrie als Sicherheitstechnologie steht unmittelbar bevor. Dazu müssen einerseits Ausweisdokumente entsprechend ausgerüstet, andererseits biometriegestützte Kontrollen an Grenzübergängen eingeführt werden. Rund um den Globus schaffen Staaten und Staatengruppen hierfür die politischen und rechtlichen Voraussetzungen.

Als Reaktion auf die veränderte Sicherheitslage seit dem 11. September 2001 werden die biometrischen Ausrüstungen von Ausweisdokumenten und entsprechende biometriegestützte Kontrollen an Grenzübergängen weltweit diskutiert und in Pilotprojekten erprobt. Die USA fordern, dass alle ab dem 26. Oktober 2005 ausgestellten Reisepässe für eine visumsfreie Einreise in die USA mit biometrischen Daten versehen sein müssen. Das Ausmass dieser Herausforderung machen Zahlen aus den USA deutlich: Dort reisen jährlich 500 Millionen Menschen ein, davon 350 Millionen Ausländer. Die Einreise erfolgt an rund 400 Grenzübergängen in Häfen, Flughäfen und an Staatengrenzen.

Forschung

International (EU-weit, in den USA und in den asiatischen Ländern) scheinen sich Gesichtsgeometrie und Fingerabdrücke als biometrische Standards durchzusetzen. "Sowohl Gesichtsgeometrie als auch Fingerabdrücke sind zur Personenerkennung sehr gut geeignet", betont Professor Dr. Armin Grunwald, Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Forschungszentrums.

Seit mehr als drei Jahrzehnten wird im Bereich der Gesichtserkennung geforscht, und seit einigen Jahren sind bereits kommerzielle Systeme auf dem Markt, die insbesondere zur Überprüfung der Zugangsberechtigung zu Räumen, Gebäuden oder Geländen eingesetzt werden. Obwohl verschiedene Probleme den Durchbruch der Gesichtserkennung noch verhindern, erreichen viele Verfahren gute Ergebnisse mit frontalen Ansichten bei neutralem Gesichtsausdruck. In der Praxis müssen jedoch Personen auch bei beliebiger Kopforientierung und Mimik erkannt werden. Ziel ist es, ein 3D-Kopfmodell und die Synthetisierung beliebiger Gesichtsausdrücke mit 14 Muskeln integriert zu ermöglichen.

Identifikation oder Verifikation

Beim Erkennen ganz allgemein und deshalb auch in der Biometrie werden zwei Betriebsarten unterschieden, nämlich:

  • Identifikation bei der ein "one to many"-Vergleich stattfindet und aus dem gesamten Datenbestand die Frage beantwortet werden muss. "wer bin ich?". Hierzu wird nur das biometrische Template herangezogen, eine (Vor)identifikation per PIN oder Ausweis findet nicht statt. Im Gegensatz dazu steht die
  • Verifikation, bei der sich der Teilnehmer zunächst über PIN oder Ausweis (vor)identifizieren muss und dann der Vergleich der biometrischen Daten eine Verifizierung ergibt, dass der Teilnehmer der richtige PIN- bzw. Karteninhaber ist. Hier werden die aktuell aufgenommenen biometrischen Daten nur mit den im ID-Mittel hinterlegten Template verglichen. Die Aufgabenstellung heisst also, "bestätige, dass ich Mister X bin".

Lehre von Merkmalen nicht problemlos

An der CAST-Tagung mahnte ein ehemaliger Rechtsmediziner, Dr. Mattias Herbst, vor der Euphorie der biometrischen Hochstimmung. Die Haut zeigt in jedem Lebensabschnitt ein charakteristisches Bild. Bestimmte Merkmale (Stigmata) sind angeboren und schwer zu verändern. Sie charakterisieren den Träger lebenslang.

Auch äussere Einflüsse wie Wärme und Kälte (Defekte durch Erfrierungen) aber auch Erkrankungen wie Tumorleiden (Hautoberfläche zeigt Hinweis, sogenannte "Paraneoplasie") oder auch erbliche Leiden können dieses äussere Bild gravierend beeinflussen. Anhand verschiedener Beispiele wurde die Problematik im Bereich der Fingerheeren erläutert. Ebenso wurde demonstriert, wie im Gesicht, durch moderne Verfahren der ästhetischen Medizin wie Laser, Filler oder Operationen die Hautstrukturen verändert werden können,

Wo steht die Schweiz

Ab Ende 2005 soll in der Schweiz ein Pass mit biometrischen Daten beantragt werden können. Der Bundesrat hat sich für die Einführung dieser neuen Pässe entschieden. Vorerst läuft während fünf Jahren ein Pilotprojekt. Schweizerinnen und Schweizer können während dieser Zeit freiwillig in einer von etwa fünf speziell ausgerüsteten Antragsstellen das biometrische Dokument beantragen, falls sie dieses tatsächlich brauchen.

Parallel werden weiterhin maschinenlesbare Pässe ohne biometrische Daten vom Modell 2003 ausgestellt. Die Durchführung des Pilotprojekts wird den Bund auf rund 14 Millionen Franken zu stehen kommen. Die Kosten für die definitive Einführung lassen sich noch nicht beziffern. Geht es nach dem Vorschlag von Bundesrat Christoph Blocher, wird dann der neue Biometrie-Pass sein Vorgängermodell ganz ersetzen.

In den Gremien der International Organization for Standardization (ISO) und in der International Civil Aviation Organization (ICAO) wird die Entwicklung von Standards für biometrische Datenformate und der Speicherung in Pässen vorangetrieben.

Biometrie hält Hooligans aus Fussballstadion fern

Bei einem gemeinschaftlichen Pilotprojekt, das mit dem PSV-Stadion Eindhoven, der Polizei, der Staatsanwaltschaft und der Stadt Eindhoven entwickelt wurde, liegt die Erkennungsrate derzeit bei 90 Prozent. Nach geplanten Veränderungen der Infrastruktur wird eine höhere Erkennungsrate erwartet.

Das System der Fa LogicaCMG stützt sich auf die vorhandene Infrastruktur des PSV-Stadions (beispielsweise auf Sicherheitskameras, Polizei, Sicherheitsleute) und wurde mit Genehmigung der Justizbehörden und unter Überwachung der Eindhovener Polizei errichtet. Die Sicherheitskameras des Stadions speichern Bilder, die mit einer Bild-Datenbank von Stadionbesuchern verglichen werden. Die Bilder werden dann anhand der biometrischen Faktoren des Gesichts abgeglichen. Mit dem Pilotprojekt wird deutlich, dass biometrische Verfahren nicht nur einer erhöhten Sicherheit dienen, sondern gleichzeitig insbesondere an öffentlichen Plätzen auch nutzerfreundlich sein können.

Fazit

Die Gesichtserkennung erbrachte bisher grundsätzlich ein gute Erkennungsrate, sofern gewisse Rahmenbedingungen vorhanden waren. Während des fünfjährigen Pilotprojektes wird es sich zeigen, ob der eingeschlagene Weg der richtige ist, und ob die Erkenntnisse der Theorie in die Praxis umgesetzt werden können.