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Hölle für Hacker

FAZ
29.08.2002

In Hessen gibt es mehr IT-Sicherheitsfirmen als in jedem anderen Bundesland

Von Olaf Jüptner

Als Klaus Landefeld 1984 als Schüler mit dem Aufbau von Mailboxsystemen begann, ahnte er sicher nicht, daß er sich einmal zu einem führenden Internet-Unternehmer entwickeln würde, der weit über die Grenzen seiner hessischen Heimatstadt bekannt ist. Heute betätigt sich der gebürtige Dreieicher als Business Angel und beteiligt sich an Start-ups im IT-Sicherheits- und Netzwerkbereich. Dazwischen liegt eine beeindruckende Karriere beim Internet-Provider Nacamar, den er von 1990 an von einem regionalen zu einem erfolgreichen europäischen Anbieter für Geschäftskunden aufbaute. Nach dem Verkauf von Nacamar an World Online ging Landefeld 1999 als Chief Technical Officer für das paneuropäische Netz in die Niederlande. Dann engagierte er sich erneut in Hessen. "Hier im Rhein-Main-Gebiet sitzen einfach die wichtigsten Kunden" erklärt Landefeld seinen Entschluß.

Wie Klaus Landefeld gibt es in Hessen eine Vielzahl innovativer Internet-Unternehmer, die sich im Bereich IT-Sicherheit einen Namen gemacht haben. Zum Beispiel Axel Dunkel. Sein Unternehmen in Kriftel ist schon seit 1984 mit Sicherheitsdienstleistungen am Markt. Ein Highlight war unter anderem der Aufbau einer sogenannten Public-Key-Infrastruktur für den Hessischen Rundfunk. Am bekanntesten wurde das Unternehmen wohl jedoch durch seinen "Internet-Flugschreiber", ein Gerät, mit dem sich der komplette Datenverkehr eines Unternehmens rekonstruktieren läßt - hilfreich vor allem bei einem Hacker-Angriff.

Nato-Schutz aus Oberursel

Ebenfalls zu den langjährig etablierten Sicherheitsunternehmen in Hessen zählt die Utimaco Safeware aus Oberursel. Seit 1983 hat die Firma ihren Fokus von der reinen PC-Sicherheit zur umfassenden Sicherung elektronischer Geschäftsprozesse erweitert. Inzwischen bedient sie mit mehr als 250 Mitarbeitern Kunden wie Daimler-Chrysler, Novartis, Aventis, Allianz, die Nato und EU - eine Erfolgsgeschichte, die schon zu verschiedenen Innovations- und Unternehmerpreisen führte.

Oder die Cobion AG. Das Kasseler Unternehmen hat sich auf Dienstleistungen zur Text- und Bilderkennung im Internet spezialisiert. Durch das schnelle und unübersichtliche Wachstum des Internet ist es oft schwierig, Produkt- und Markenfälschungen im Internet aufzuspüren. Die Kasseler haben eine spezielle Software entwickelt, die die Verbreitung von Marken und Produkten im Internet ermittelt und so Markenmißbrauch verhindern hilft. Bekannt wurde diese Software durch die erfolgreiche Suche nach vermißten Kindern im Internet.

Diese wenigen Beispiele stehen stellvertretend für die mittlerweile überaus zahlreichen innovativen IT-Sicherheitsfirmen in Hessen. Wie groß die Dichte ist, beweist eine aktuelle bundesweite Umfrage. Danach hat etwa die Hälfte aller IT-Sicherheitsanbieter ihren Hauptsitz oder eine Niederlassung in Hessen. Für Axel Dunkel ist das wenig überraschend. "Schließlich sind in Frankfurt aufgrund des Internet-Austauschknotens DE-CIX und der daran angeschlossenen Telekommunikationsunternehmen die höchsten Bandbreiten in Deutschland verfügbar." Zahlreiche E-Commerce-Anbieter, Banken und Versicherungen betreiben hier ihre Internet-Anwendungen, die als naheliegende Angriffziele gut geschützt werden müssen.

Damit auch mittelständige Anwenderunternehmen von der wachsenden Anbietervielfalt im Bereich IT-Sicherheit profitieren können, hat das hessische Wirtschaftsministerium 1997 die Aktionslinie hessen-infoline ins Leben gerufen. Sie gibt jetzt eine Übersicht über diesen dynamischen Anbietermarkt und informiert mit Broschüren und Seminaren zum Thema IT-Sicherheit für den Mittelstand.

IT-Sicherheit beschränkt sich in Hessen jedoch nicht nur auf innovative mittelständische Unternehmen. Auch an den hessischen Hoch- und Fachhochschulen sowie an den Darmstädter Fraunhofer-Instituten wird unter vielfältigen Aspekten an diesem Thema gearbeitet. An der Universität Frankfurt beispielsweise beschäftigt sich Kai Rannenberg, Inhaber des von T-Mobile gestifteten M-Commerce-Lehrstuhls, mit mehrseitiger Sicherheit, einem Thema, das er bereits bei Microsoft Research in Cambridge verfolgte. Die Fachhochschule Gießen-Friedberg betreibt ein Institut für Biometrische Identifikationssysteme mit speziellem Testlabor. Und auch an der Fachhochschule Fulda gibt es ambitionierte Projekte im Bereich IT-Sicherheit, zum Beispiel den von Hans-Ulrich Bühler, Professor für Angewandte Informatik, geleiteten studentischen Arbeitskreis, der mittelständischen Unternehmen vor Ort mit praktischen Sicherheitstips weiterhilft.

Jüngster Sproß in Hessens IT-Sichheit-Szene ist das Darmstädter Zentrum für IT-Sicherheit (DZI), dessen Gründung Ende Juli beschlossen wurde. 20 Professoren aus fünf Fachbereichen der Technischen Universität sind dem DZI zugeordnet. Auch zwei Fraunhofer-Institute sind daran beteiligt. Ergänzend hat sich bereits das national herausragende CAST-Forum etabliert, ein Verein, in dem sich Experten aus Industrie und Wissenschaft zu Fachtreffen und Seminaren zusammenfinden.