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Heimatschutz durch Biometrie

c't magazin für computer technik - 17/2003
11.08.2003

Experten fordern ausgereifte IT-Struktur

Detlef Borchers

Die biometrische Erfassung der Bürger gewinnt immer mehr Oberwasser. Geht es nach dem Willen der Flugbehörde ICAO, sollen Informationen über individuelle Körpermerkmale künftig selbst auf Flugtickets erscheinen. Doch wie leistungsfähig sind biometrische Sicherheitssysteme wirklich? Darüber diskutierten Fachleute jetzt in Darmstadt.

Seit Januar 2001 hat Ägypten eines der modernsten Ausweissysteme der Welt, geliefert von der Münchner Firma Giesecke & Devrient GmbH. Die Ausweise der 42 Millionen Ägypter genügen nach Darstellung der Firma höchsten Sicherheitsansprüchen, kommen sie doch mit biometrischen Merkmalen in Form der Fingerabdrücke, die auf dem Ausweis gespeichert sind und schnell mit einer Datenbank abgeglichen werden können. Mohammad Atta, der Kopf der Terroristen vom 11. September, war Ägypter und konnte mit einem solchen biometrischen Ausweis ungehindert in die USA einreisen: Wenn Staaten biometrische Systeme zum Schutz der "Homeland Security" aufbauen, so muss ein ausgeklügeltes IT-System vorhanden sein, das obendrein den internationalen Datenaustausch gestattet. Auf dem zum zweiten Mal in Darmstadt beim Fraunhofer-Institut für graphische Datenverarbeitung stattfindenden Workshop "Biometrics and Electronic Signatures" stellten Experten ihre Überlegungen zu diesem Problem vor.

Online-Check

Das Hauptreferat der Tagung hielt Klaus Keus, Referatsleiter Schlüsseltechnologien beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). Dieses Amt sorgt sich nicht nur um sichere Rechner, sondern auch um fälschungssichere Visa. Unter dem Titel "Biometrics a possible technical Contribution for Homeland and Worldwide Security" führte Keus aus, wie die Bundesrepublik nach der Verabschiedung der Antiterror-Gesetze im Januar 2002 die Biometrie einsetzt. In Anlehnung an einen US-amerikanischen Beschluss, die Homeland Security durch Visa mit biometrischen Merkmalen zu verbessern, hatte das Berliner Parlament zugestimmt, dass Deutschland ebenfalls biometrisch abgesicherte Visa einführt. Keus berichtete vom neuen Visumsystem, das an der Botschaft in Lagos probehalber eingesetzt wird: Der gerollte Fingerabdruck aller zehn Finger wird online nach Wiesbaden geschickt und dort durch die Fingerabdruck-Datenbank AFIS geschleust. Das Resultat der Suche wandert innerhalb weniger Minuten nach Lagos. Auf diese Weise würden bis zu 70 Vorfälle pro Tag auffliegen, bei denen bereits abgewiesene Antragsteller falsche Angaben machen, um wieder einreisen zu können.

Ein weiteres Projekt dieser Art ist in Manila unter der Leitung des Bundesinnenministeriums im Aufbau. Dort soll geprüft werden, ob die Iris-Erkennung eine bessere Systemgrundlage liefert. In seinem Referat bezeichnete Keus die Iris-Methode als effizienter und schneller, machte aber darauf aufmerksam, dass die Iris-Mustererkennung durch ein bis 2005 gültiges Patent behindert ist. Der Biometrie-Fachmann zeigte sich zuversichtlich, dass Deutschland bald in allen 217 Botschaften ein System haben kann, das die Visumsvergabe mit biometrischen Merkmalen fälschungssicherer macht. Entscheidend sei beim Einsatz der Biometrie, dass eine ausgereifte IT die Grundlage bildet. Derzeit vernetzt das Auswärtige Amt alle deutschen Botschaften in einem Hochleistungs-VPN auf Linux-Basis, wobei die Teilnehmer im Netz sich mit biometrisch abgesicherten Smartcards einloggen.

Auf den Vortrag von Keus folgten viele Referate, die sich mit der Leistung und Zuverlässigkeit von biometrischen Systemen beschäftigten. Vom BSI und den FraunhoferInstituten getragene Projekte wie BioFinger, BioFace oder BioVoice beschäftigen sich mit der Frage, ob biometrische Erkennungssysteme überhaupt leistungsfähig genug sind, um im behördlichen Alltag bestehen zu können. BioFace untersuchte beispielsweise, wie schnell ein Gesicht in einer Datenbank mit 50 000 Bildern gefunden werden kann, immerhin ein Datenabgleich mit einem Volumen von 38 Gigabyte. Im europäischen Maßstab gesehen wäre BioFace ein sehr bescheidener Anfang: In den bald erweiterten EU-Staaten soll ein vereinheitlichtes "VISA Information System" (C-VIS) biometrische Informationen von 70 Millionen Antragstellern aufnehmen, verarbeiten und in einer zentralen Datenbank speichern. Derzeit favorisiert man für dieses System den Abdruck von zwei Fingern als Merkmal. Doch auch in kleinen Testreihen gibt es Erkenntnisse. So mussten die Tester von BioFace feststellen, dass das System beim Datenabgleich einigermaßen zuverlässig mit hellhäutigen Gesichtern umgehen kann, bei negroiden Typen jedoch Probleme hat.

Transponder im Visum

Wohin die Reise geht, ist noch völlig offen. Ist der Sommer vorüber, setzt eine rege Gremienarbeit ein. Die Biometrie als wichtige Waffe im Kampf gegen den internationalen Terrorismus hat Oberwasser. Vom 7. bis 12. September treffen sich in Rom die sechs Arbeitsgruppen, die die biometrischen Standards der IS0/IEC-Norm SC 37 festlegen, vom 18. bis 19. September tagen in Berlin hochrangige Regierungsexperten der G8-Länder, die ein gemeinsames Vorgehen in Passfragen abklären sollen. Hinzu kommen Termine der deutschen DIN-Arbeitsgruppe NI-37/SC 37 und der Fachleute für das "Schengen Informations System II", in dem das erwähnte C-VIS festgeklopft werden soll. Damit nicht genug, sind Konferenzen mit der internationalen Flugbehörde ICAO geplant, weil biometrische Informationen in Zukunft auch auf Flugscheinen erscheinen sollen. Diese Organisation ist es auch, die den Einsatz von Transpondern (RFID-Chips) in Flugscheinen und Gepäckstücken favorisiert. Nach den Worten vom 851-Fachmann Keus stellen Visa mit Transponder-Systemen auch für Deutschland die nächste Stufe dar, die frühestens 2005 bis 2006 gezündet werden kann, wenn Visa mit biometrischen Merkmalen funktionieren. Transponder vereinfachen vor allem die Kontrolle, weil sie kontaktlos die Daten der Passagiere versenden, die etwa in einer Schlange vor dem Grenzbeamten stehen.